Die Stadt Xi‘an zu besuchen war für mich in mehrerer Hinsicht etwas ganz besonderes. Schon vor mehr als 2.000 Jahren war sie Hauptstadt von China, war lange Zeit die größte Stadt der Welt und an jeder Ecke der Stadt wird mir klar, dass das mal eine Hochkultur war. Als östliches Ende oder auch als Anfang der Seidenstraße war sie schon vor Christi Geburt ein Schmelztiegel der Kulturen und noch heute gibt es das Muslimische Viertel, das ich gleichzeitig wundervoll und wahnsinnig finde. In den engen Gassen reiht sich ein Straßenverkauf an den nächsten, es duftet lecker nach den verschiedensten Speisen und Gewürzen und ich kam aus dem Ausprobieren nicht mehr raus.
Allerdings geht es dort auch sehr lebhaft zu, es ist insbesondere abends typisch chinesisch überfüllt und die Motorroller und Fahrräder hupen, klingeln und haben anscheinend immer Vorfahrt. In Kombination mit der sommerlichen Hitze von knapp 40 Grad wird das zu einem sehr intensiven Erlebnis und ich habe das eine oder andere mal bewundernd festgestellt, wie ruhig und gelassen die Chinesen mit der Reizüberflutung und den Menschenmassen umgehen. Nicht auszudenken, würden dort plötzlich alle anfangen, ihre Ellenbogen auszufahren. Das selbe gilt für den Straßenverkehr, der nach Regeln zu funktionieren scheint, die in keiner StVO zu finden sind. Obwohl es wie pures Chaos aussieht, habe ich bisher noch keinen einzigen Verkehrsunfall gesehen. Kim, eine Amerikanerin, die in China Traditionelle Chinesische Medizin studiert und die ich in Peking kennengelernt habe, erklärt das damit, dass der Einzelne nichts und die Gemeinschaft, insbesondere die Familie, alles ist. Das würde auch erklären, warum immer alle ungläubig dreinschauen wenn ich erkläre, dass ich 1. eine lange Reise und 2. alleine mache.
A propos, heute geht es von Tianshui, wo ich die nahegelegenen Maiji shan Grotten besucht habe, mit dem Nachtzug nach Dunhuang an den Rand der Taklamakan Wüste. Wahrscheinlich werde auch ich auf der Zugfahrt das eine oder andere mal ungläubig dreinschauen wenn ich die Chinesen und ihr Verhalten auf der Fahrt beobachte. Einen kleinen Vorgeschmack habe ich bereits auf meinem reservierten Stehplatz(!) im Zug Xi‘an – Tianshui bekommen. Das Gepäck, dass da mitgeschleppt wird, überschreitet zum Teil jedes Maximalmaß und auf jedem noch so kleinen Flecken werden kleine Hocker aufgeklappt (die man im Zug auch kaufen kann) oder Plastikplanen oder Strohmatten ausgebreitet, um sich darauf niederzulassen und zu schlafen. Funktioniert – irgendwie, Hauptsache, von den Gepäckregalen unter der Decke hängt kein Riemen eines Rucksacks herunter. Das maßregelt der Schaffner nämlich sofort, denn Ordnung muss sein…