Der Baikalsee ist eigentlich kein See, sondern eine tektonische Spalte zwischen 2 Platten, sozusagen ein Baby-Rotes-Meer. Er ist mit über 1.600m der tiefste See der Welt und enthält ein Fünftel der weltweiten Süßwasserreserven. Das ist nett zu wissen.
Wenn ich am See stehe (die Einwohner nennen ihn Meer), an ihm entlangwandere oder mein Zelt an seinem Ufer aufschlage, treten aber alle Zahlen/Daten/Fakten zurück vor der Größe, der Ruhe und der Schönheit dieses Sees! Es herrscht eine Rauheit, die ich im kalten Wind vom See und den felsigen Klippen genauso wahrnehme wie in den Leuten, die am See leben. An machen Stellen und Orten kommt es mir so vor, als sei ich am Ende der Welt angekommen, so ähnlich muss es in Grönland, Alaska oder Kanada sein.
Mein erster Ausflug an den Baikal war geplant als 50km Wanderung in 3 Etappen von Listwjanka nach Bolshoje Goulostnoje. Von dort sollte es dann mit dem Bus wieder zurück gehen nach Irkutsk. In Listwjanka selber war noch nicht viel los, dort startet die Hauptsaison erst im Juli, wenn das Wetter stabiler und wärmer ist. Da der Ort bekannt dafür ist, dass man dort den typischen Omul-Fisch kaufen kann, musste ich das natürlich auch testen und habe auf dem Markt eingekauft. Eigentlich wollte ich den klassischen vor Ort geräucherten Omul, jedoch hatte ich durch ein Missverständnis, oder besser, durch das Verkaufsgeschick der Marktfrau, auch den gekochten in der Hand und so hatte ich mit den 2 Fischen ein mehr als reichhaltiges Abendessen. Im Nachhinein habe ich dann erfahren, dass es seit 2017 verboten ist, Omul zu fischen und die Marktfrau in der Bezeichnung ihrer Fische, wie alle anderen Verkäufer auf dem Markt eben auch, sehr freizügig war. Naja, geschmeckt hat es und ich kann mir ja auch einbilden, dass es Omul war und dieser illegal gefangen und verkauft wurde. Ganz auszuschließen ist es nicht.
Noch in Irkutsk habe ich Thomas und Katrin kennengelernt, die fast die selbe Strecke wandern und am selben Tag wie ich loswandern wollten. Im Gegensatz zu mir wollten sie aber gleich in der ersten Nacht schon auf dem Trail ihr Zelt aufschlagen und campen. So habe ich sie am nächsten Tag kurz auf ihrem Campingplatz, eine wundervolle Lichtung mit Bächlein, besucht und habe mich, noch ganz guter Dinge, auf den weiteren Weg gemacht. Der Trail selbst ist herrlich, er geht die meiste Zeit entlang der, an manchen Stellen sehr steilen, Küste. Auf den An- und Abstiegen habe ich dann aber auch bald gemerkt, dass mein Rucksack einfach zu schwer ist und ich die komplette erste Etappe, 20km nach Bolshie Koty, nicht an einem Tag schaffen würde. So habe ich gesamte Tour auf ca. 30km in den 3 Tagen abgekürzt und auf anderen Campingplätzen übernachtet als geplant. Zurück ging es dann von Bolshie Koty mit dem Tragflächenboot nach Listwjanka und von dort per Marschrutka nach Irkutsk. Am Ende war mir das aber einfach egal, denn ich hätte mir keine schöneren Plätze vorstellen können als die, auf denen ich mein Zelt aufgestellt habe. Auf jedem Platz war ich den einzige Camper, waschen konnte ich mich und meine Klamotten im (noch seeehr kalten) See und da der See fast durchgängig Trinkwasserqualität hat, war ensprechend auch dafür gesorgt. Und zum Einschlafen gab es jeden Abend das beste Programm, Blick auf den Baikal und die gegenüberliegenden, teils noch schneebedeckten Berge, Möwen, vorbeiziehende Enten und ein oder zwei Baikalrobben, die ihre Köpfe aus dem Wasser streckten. Und sonst nichts außer Stille.
Meine Lektion hatte ich aber gelernt. Auf den weiteren Hikes würde ich auf jeden Fall einen Teil meines Gepäcks irgendwo unterstellen.